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AutorenbildKatrin Wiemeyer

Schwarz-weiss. Der Hautkrebs und alles andere

Vorsorgehefte oder "Was soll eigentlich bleiben?"

Da bin ich wieder!

Verspätet, jedenfalls in meiner geplanten Zeitrechnung, das Leben hatte mich ganz schön im Griff. Eigentlich cool, ich spüre mehr Energie und kann somit wieder mehr schaffen. Es gab in der letzten Zeit Tage, da hab ich wirklich nicht an Krebs gedacht...zum ersten Mal, seit ich dazu gehöre zu unserem Clübchen.

Eigentlich will ich deshalb von Leichtigkeit schreiben, denn die Monster unterm Bett waren ja ruhig, das ist doch toll! Zudem hatte ich mein letztes Fatigue-Loch vor Wochen, ich freu mich!

Aber warte mal...wenn ich das schreibe, komme ich ins Grübeln.

Bin ich grade dabei, mich selbst zu bescheißen? Marschiere ich geradewegs in die alten Hamsterräder und rede es mir mit ner Bommel-Weihnachtsmütze auf dem Deetz einfach schön?

Wo ist die Grenze von "wieder ein normales Leben haben" zu "wieder vergessen, für sich zu sorgen und auch mal "Nein" sagen"?


Kennt ihr dieses Dilemma?

Ich schaffe erst heute hier mit einer Tasse Tee und einer Kerze vorm leeren Blatt zu sitzen, weil mein 13 jähriger mal so richtig von irgendeinem Virus aus den Schuhen gehauen wurde.

Ein Nachttischchen mit Fieberthermometer, Taschenfüchern und Fernbedienungen
Krankenbett des Sohns... und was man so braucht-

Heute morgen habe ich meinen Beitrag in unserem Adventskalender gelesen und mich kurz gefragt, ob ich , wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, grade lebe, was ich da geschrieben habe.

Ich komme nicht richtig zu einer Antwort.

Es würde mich sehr interessieren, ob ihr diese Gedanken auch kennt, schreibt doch mal in die Kommentare, wenn ihr Lust habt.


Eins A abgeschweift....und ja, es heißt wirklich abgeschweift. Ich hab grad nachgesehen, nachdem abgeschwoffen so komisch aussah.


Mein eigentliches Thema war Vorsorge.

Vor ein paar Monaten habe ich mich intensiv mit diesem Thema beschäftigt.

Davor ging es mir vermutlich wie den meisten, das Thema ploppte immer mal wieder in meinem Kopf auf, um sich dann ganz schnell wieder vom Acker zu machen.

Aber mal ehrlich...ich möchte nicht, dass sich meine Kinder im Zweifel Gedanken machen müssten, ob die Mama nun künstlich ernährt werden wollte oder nicht.

Ich selbst war schon in der Situation, als meine Mutter vor über 20 Jahren an Krebs erkrankte. Ihr Zustand verschlechterte sich so schnell, dass ich nur noch ein paar offene Fragen mit ihr klären konnte.

Wie ungerecht es sich anfühlt, wenn einem plötzlich die Zeit durch die Finger rinnt.

Sehr schnell musste ich mit Anfang 20 Riesenentscheidungen treffen, ohne Ahnung, was wohl richtig ist. Welche Medikationen? Ernährung? Verlegung? Und dann, wie soll eigentlich die Beerdigung aussehen?

Wisst ihr, ob eure Liebsten eingeäschert werden möchten? Zwei Menschen in unserer Familie waren völlig unterschiedlicher Ansichten und ich sag mal so, ich hab nachgegeben. Schickt man Postkarten, gibt's ne Anzeige in der Zeitung, anonyme Bestattung, wie soll man das alles entscheiden, wenn man noch vor ein paar Stunden Abschied genommen hat? Wenn man eigentlich nur noch schlafen will...

Ich habe letztendlich Dinge abgewunken, die nicht mir entsprachen und die, da bin ich sicher, auch meiner Mutter pupsegal gewesen wären. Weil man das so macht und weil ich einfach nur raus wollte aus diesem dunklen Beerdigungsladen.

Das möchte ich meinen Kindern ersparen. Und ich nenne bewusst nicht meinen Mann, obwohl er in all diesen Listen jetzt als erster Entscheider auftaucht, weil ich den Plan habe, dass wir in ca. 50 Jahren zusammen auf die Reise gehen. Hand in Hand mit einem Lächeln im Gesicht, denn einen von uns ohne den anderen kann ich mir einfach nicht vorstellen. Ätsch, Universum, weißte Bescheid!

So hab ich mich also einen ganzen Sonntag Nachmittag durch so ein Vorsorgeheft geackert und dann alles abgeheftet. Ich hab meinem Mann nochmals erzählt, dass ich nur unter einen Baum will und dass ich ein Familienhörbuch aufnehmen will, falls ich gut vorbereitet in die letzte Zeit meines Lebens gehen sollte.

Ich glaube, es war hart für ihn, solche Themen von mir zu hören. Aber ich fühle mich heute wirklich erleichtert und bin sicher, es wird auch meine Liebsten einmal erleichtern, zu wissen, was ich mir wünsche.

Meinem Mann habe ich das Vorsorgeheft auch empfohlen, ihr ahnt es, er denkt vielleicht immer mal wieder daran, aber bisher liegt es unberührt und wartet.

Papier ist ja bekanntlich geduldig, egal, ob es um Vorsorge oder die Steuererklärung geht.


Und was soll eigentlich bleiben?

Seit meiner Diagnose sind mir Momente unfassbar wichtig geworden.

Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich mich frage, ob dieser Moment grade wohl einer von denen sein wird, an den meine Kinder denken werden, wenn sie erwachsen sind. Oder eben auch, wenn ich mal nicht mehr bin. Ich finde es wunderschön, ein Hörbuch aufzunehmen, um den Kindern die eigene Stimme zu bewahren und gleichzeitig Geschichten zu erzählen, für die irgendwie nie genug Zeit war. Was würde ich darum geben, die Stimme meiner Eltern noch einmal hören zu können oder ihr Lachen.

Ich schreibe hier und auch bei Instagram, um festzuhalten, was mich bewegt, was mich ausmacht. In meinen Träumen entsteht so irgendwann ein Buch.

Ich fotografiere viel mehr und auch filmen finde ich nicht mehr blöd. Wisst ihr, in was für Geräusche man verfallen kann, wenn man den mittlerweile riesigen Sohn auf dem Sitz unseres alten Bullis singen hört, als er ca. zwei war?

Das ist ein großer Vorteil unserer Smartphonezeit... wir haben die Kamera jederzeit in der Tasche!


Ein Fazit wäre schön.

Ich glaube am Ende passen mein "Abschweif-Thema" und das "Vorsorge-Ding" wieder zusammen. Ich nehme mir bewusst vor, in den nun kommenden Weihnachtswochen immer wieder inne zu halten. Es kommt nicht darauf an, wie viele Plätzchen wir backen. Es wird auch in diesem Jahr kein Wichtel in unser Haus ziehen und unser Adventskranz rieselt schon vor dem zweiten Advent. Scheiß drauf.

Es kommt auf die Momente an.

Gestern hab ich mich entschieden, meiner Tochter auf ihrem Weg vom Schulbus entgegen zu

laufen. Ich lief den Weg entlang und da kam sie um die Ecke. Als sie mich entdeckte, strahlte sie und lief mir entgegen. Als unsere Arme sich fest ineinander verknotet hatten , war in meinem Körper warmes Glück. Ich glaube, das war einer der Momente, die vielleicht bleiben.

Ganz ohne Tamtam.

In diesem Sinne, falls ich vor Weihnachten nicht mehr in die Tasten haue...

Genießt die kommende Zeit, sagt mal "Nein", trinkt ne Tasse Tee und macht eine Kerze an. Ich bin dann mal weg, ich teste, ob ich Lebkuchen mit Schokolade irgendwann nicht mehr sehen kann.

Bisher schmecken sie jeden Tag von vorne gut!




3 comentarios


Dani Peifer
05 dic 2022

Ich drücke mich total vor diesem Thema. Hab mir nach der Diagnose so nen Bogen in die Hand genommen, konnte mich emotional aber nicht damit beschäftigen. Aber es ist ein sehr wichtiges Thema. Danke, dass du es ansprichst.

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Nicole Schwerin
05 dic 2022

Hab mal wieder Tränen in den Augen. Du hast das Schreiben voll drauf.

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Alfred H. K.
05 dic 2022

Volle Unterstützung!

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