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MELANOM INFO DEUTSCHLAND - MID e.V.

Patientenorganisation für Betroffene von Hautkrebs
und deren Angehörige

Langzeitnebenwirkungen und Reha nach Melanom

Ines berichtet über ihre Geschichte auf der 11. Versorgungskonferenz Hautkrebs in Berlin

Ines Wach in der Arbeitsgruppensitzung der NVKH
Ines Wach in der Arbeitsgruppensitzung der NVKH

Mein Name ist Ines Wach, 58 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder und zwei Enkelkinder. Ich hatte im September 2015 ein noduläres malignes Melanom, TD 1,8mm ulzeriert. Meine Wächterlymphknoten waren bereits befallen und in der anschließenden kompletten Lymphknoten Dissektion wurden mir nochmals 26 Lymphknoten entnommen, bei noch einem weiteren Befall.  Es folgten 18 Monate Interferon Therapie. Kein Zuckerschlecken!

Ich entwickelte ein Lymphödem, bekam Panikattacken, eine Polyneuropathie, Depressionen, eine schwere Fatigue und Schmerzen ohne Ende. Eine Reha habe ich nach Therapieende nicht gemacht, wurde aber auch nicht explizit darauf hingewiesen.

Mit dem Wissen von heute, sage ich nur: „Hätte ich mal bloß eine Reha gemacht!“


Folie aus dem Vortrag über Reha für Survivor von Priv.-Doz. Dr. med. Athanasios Tsianakas
Folie aus dem Vortrag über Reha für Survivor von Priv.-Doz. Dr. med. Athanasios Tsianakas

Der Tumor kommt zurück

Im März 2021 hatte ich ein Rezidiv und begann eine adjuvante Therapie mit Nivolumab. Das Nivo verstärkte meine Polyneuropathie nochmal und sollte mir später noch einige weitere Folgeerkrankungen bescheren.

Ich bekam 7 x Nivolumab bis ich im Dezember desselben Jahres erneut eine kutane In-Transit Metastase aufwies.


Neue Melanom Therapie, neue Nebenwirkungen?

Die Behandlung mit Nivo wurde beendet und ich begann im Februar 2022 eine zielgerichtete Therapie mit Tafinlar und Mekinist.

Zwei Monate nach Therapiebeginn wurde bei mir eine Blasendysfunktion diagnostiziert, als Folge der Polyneuropathie. Die Nerven um die Blase sind nun auch noch geschädigt und ich muss mich jetzt selbst katheterisieren. Keine zwei Monate später folgte eine plötzliche Verschlechterung meines Sehvermögens. Zuerst schob ich es auf Taf/Mek. Da ich zwei Wochen später sowieso meinen dreimonatigen Augenarztcheck hatte, wartete ich ab. Bis dahin hatte sich mein Sehvermögen allerdings so verschlechtert, dass ich gerade mal noch 1 Meter weit gucken konnte. Autofahren ging zu diesem Zeitpunkt schon seit acht Wochen nicht mehr.

Plötzlich hatte ich ständigen Durst und fing an bis zu sechs Liter Flüssigkeit zu mir zu nehmen, was ich auf den sehr heißen Sommer schob. Erst durch einen Post einer Frau in der Facebook Gruppe „Diagnose Hautkrebs- wir lassen dich nicht allein“ fiel es mir wie Schuppen von den Augen....

Hatte ich vielleicht Diabetes?!


Immunvermittelte Spätnebenwirkungen

Mein Hausarzt nahm Blut ab, BINGO, mein Nüchternzucker lag bei 750 und mein HBA1C bei 14,8.

Krass, was das Nivo noch alles bei mir angerichtet hatte!

Eigentlich hätte ich mit solchen Werten in eine Klinik gehört, aber von den Ärzten kam nichts und ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Ahnung von Diabetes. Sensor rein, zwei verschiedene Insuline zum Spritzen und dann dauerte es fast ein Jahr bis die Werte in einen erträglichen Bereich sanken, eben sehr schwer einstellbar.

Die Belastungen für mich und meine Psyche waren zu diesem Zeitpunkt schon sehr hoch. Ich schwor mir, dass ich nach Beendigung der Therapie mit Taf/Mek dieses Mal auf jeden Fall in die Reha fahren werde!


Es geht los, Reha ich komme!

Im Mai 2023 war es dann soweit. Drei Wochen Reha in einer Klinik zwischen Hannover und Osnabrück.

Ich ging eigentlich ohne große Erwartungen an die Reha ran, aber ich freute mich auf drei Wochen nicht putzen, nicht kochen, keine Wäsche waschen, nicht einkaufen, kein Hetzen von Physio- zu Arztterminen oder Ähnliches. Und nicht ständig jemanden fragen ob er mich begleitet oder fahren kann. Einfach mal ME-TIME, Kraft tanken und vor allem den Kopf frei bekommen. Denn zum Zeitpunkt des Antritts meiner Reha war ich psychisch gesehen kurz vorm totalen Zusammenbruch. Schnell stand fest, dass ich eine Woche Verlängerung bekomme.


Endlich Kontakt mit Menschen, denen es so geht wie mir!

Für mich war der Kontakt mit anderen an Krebs/Hautkrebs Erkrankten fast das Wichtigste in der Reha. Durch die vielen Gespräche ging es einem irgendwie besser. Endlich wurde man gehört und konnte erzählen, sich austauschen. Jeder hatte Verständnis für den anderen. Wir haben zusammen geweint und gelacht. Mal hat man getröstet oder brauchte selber eine Schulter zum Ausheulen.


Die Psyche kommt im Behandlungsalltag viel zu kurz

Meiner Meinung nach ist die Psyche bei einer Krebs Erkrankung das, wo am wenigsten drauf eingegangen wird. Dabei ist die psychische Belastung für einen Krebskranken extrem hoch. Hatte ich gehofft, in der Reha ein „bisschen Psychotherapie“ zu haben, wurde ich leider enttäuscht.

Im Endeffekt hatte ich den falschen Therapeuten, der irgendwie keinen Bock hatte und die Sitzungen nach 3 bis 5 Minuten abgebrochen hat mit dem Satz: „Machen sie langsam, immer in ihrem Tempo. Oder naja, wir haben hier leider nicht die Zeit, bei ihren Problemen in die Tiefe zu gehen“.  

Das half mir natürlich nicht mit meinen Panik Attacken umzugehen, mit meiner Fatigue, oder zu akzeptieren, dass mein Hirn eben nicht mehr so funktioniert wie vor den Therapien. In Gesprächen mit anderen Patienten erfuhr ich, dass es nicht nur mir so erging, aber eben auch, dass es bei anderen Therapeuten besser lief. Und genau diesen Therapeuten hatte ich dann beim Autogenen Training. Während andere bei seinem monotonen Gerede einschliefen, wurde ich eher aggressiv. Je mehr er redete umso schlimmer wurde es. Ich habe dann den Raum verlassen. Was ich halt auch nicht gut fand ist, dass ich den Therapeuten während dieser Reha nicht wechseln konnte.


Eine Kunsttherapie versöhnte mich wieder

Ich durfte dann aber in der 3. und 4. Woche eine Kunsttherapie machen, und diese Therapeutin war einfach genial. Wir mussten zu Beginn der Stunde immer eine Karte ziehen, da standen so Sprüche drauf. Bei mir brachte der Spruch das Fass zum Überlaufen. Die Tränen liefen. Er passte wie Faust aufs Auge.

 

„Du denkst immer erst an die anderen, bevor du auch nur eine Sekunde an dich denkst. Du solltest lernen auch mal nein zu sagen.

 

Sie hat mir dann innerhalb weniger Momente mein ganzes Leben erklärt und welche Probleme ich hätte. Das fand ich unfassbar gut und es regte mich sehr zum Nachdenken an.


Was ich noch toll fand:

In der Reha hat mir auch sehr gut gefallen, dass man jeden Tag Schwimmen gehen konnte und die Wassergymnastik gefiel mir auch sehr gut, denn für eine Lymphödem und Schmerzpatientin wie mich ist Wasser ein super Element.

Hirnleistungstraining stand bei mir auch auf dem Programm. Das war für mich eigentlich nur frustrierend, da ich dort dann schwarz auf weiß hatte, dass mein Hirn irgendwie doch einfach matschig ist. Durch Zufall bin ich dann bei einer Ergotherapeutin gelandet, dort sollte ich einfach nur ein Bild ausmalen. Im Gespräch erfuhr ich dann, dass man bei Polyneuropathie etwas für seine Füße tun kann. Gesagt getan, beim Arzt um Therapiestunde für die Füße gebeten. Ja, das hätte ich eigentlich schon vor neun Jahren machen müssen als die Diagnose Polyneuropathie kam. Aber ich wusste so etwas nicht.

Überhaupt war das Sportangebot sehr abwechslungsreich und für jeden etwas dabei, also für jeden Fitnesslevel, ob supersportlich oder auch nicht. Die Sporttherapeuten sowie die Physioabteilung waren wirklich sehr gut.

Ich selber habe zwar keine sportlich-körperlich extreme Steigerung gehabt wie andere, aber für mich persönlich war es trotzdem gut, denn man musste sich ja einfach irgendwie den ganzen Tag bewegen, trotz Schmerzen und starker Morphine die ich jeden Tag einnehmen muss.

Die Aufklärungsarbeit der Reha im Bereich des Behördendschungels wie z.B. Erwerbsminderungsrente, Schwerbehindertenausweis, finanzielle Unterstützung, Wiedereingliederung, Anlaufstellen und so weiter finde ich auch sehr gut.


Das leibliche Wohl kam auch nicht zu kurz

Bevor ich es vergesse, das Essen war wirklich sehr gut. Abwechslungsreich, mega lecker, immer ein Salatbüffet, so viel Auswahl an Wurst und Käse, natürlich gab es auch vegane Sachen, Brot, Brötchen, Toast, Müsli, Marmelade.

Abends gab es dann ab und zu auch noch etwas Besonderes, z.B. Pizza….  und wenn es Grießbrei gab, oh man da hätte ich mich reinsetzen können.


Was gar nicht gut war

Ich hatte natürlich auch eine Gruppensitzung in der es nur um Hautkrebs ging. Leider war der vortragende Arzt nicht mal über die neuen Therapien aufgeklärt, er wusste weder wie die Immuntherapien heißen noch die Namen der zielgerichteten Therapien, sondern erzählte stattdessen etwas von Interferon Therapie. Ich habe also nur die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und ihn einfach unterbrochen und das richtig gestellt. Wir hatten schließlich 2023 und da gab es keine Interferon Therapie mehr.

Überhaupt war ich sehr erschrocken darüber, wie wenig andere, an anderen Krebsarten Erkrankte, über schwarzen Hautkrebs wussten. Viele wussten gar nicht, dass man daran sterben kann, oder dass dieser Krebs metastasieren kann. Was mich dann wieder dahin bringt, dass die Aufklärung über schwarzen Hautkrebs in der Bevölkerung immer noch nicht richtig angekommen ist.


Was mir meine Reha gebracht hat

Vier Wochen Reha gingen dann doch schnell rum und ich wurde arbeitsunfähig entlassen. Wieder zuhause musste ich dann Erwerbsminderungsrente beantragen. Das fiel mir genauso schwer wie das Ausfüllen des Reha Antrages. Ohne Hilfe ging es nicht.

Seit der Reha bin ich viel entspannter zu Hause, ausgeglichener und zufriedener. Meine Familie meinte auch, ich sei wie ausgewechselt - ein neuer Mensch. Ich habe gelernt, dass Zuhause nicht alles perfekt sein muss, wir haben schließlich einen Esstisch und bei uns muss keiner vom Fußboden essen. Mein Kopf und mein Körper funktionieren eben nicht mehr so wie vor den Therapien und ich muss auch meine Schmerzen akzeptieren. Ich habe gute Tage und schlechte Tage, an manchen schaffe ich es nicht aus Bett zu kommen, dann ist das eben so. In der Reha habe ich auch gelernt, mehr auf mich und meine Bedürfnisse zu achten und auch mal nein zu sagen, nicht nur wenn es mir schlecht geht. Und vor allem muss ich mich nicht ständig dafür entschuldigen, weil ich etwas nicht mehr kann.


Voraussetzungen, die eine Wiederholung der Reha rechtfertigen. Folie von Priv.-Doz. Dr. med. Athanasios Tsianakas
Voraussetzungen, die eine Wiederholung der Reha rechtfertigen. Folie von Priv.-Doz. Dr. med. Athanasios Tsianakas


Würde ich anderen zur Reha raten?

Patienten sollten meiner Meinung nach unbedingt, nach Beendigung einer Therapie, in eine Reha fahren, weil man dort einfach mal Zeit nur für sich hat, ohne die Verpflichtungen die man zuhause oder auch im Job hat. Zudem ist man unter Gleichgesinnten.

Eine Aufarbeitung seiner Krebserkrankung halte ich persönlich für sehr wichtig. Dazu gehört bei vielen eben auch eine psychische Betreuung, aber leider gibt es oft keine Kapazitäten zu Hause vor Ort und die Wartezeiten sind schlichtweg zu lang.


Rehakliniken mit der Spezialisierung auf Hautkrebs, Vortrag von Priv.-Doz. Dr. med. Athanasios Tsianakas
Rehakliniken mit der Spezialisierung auf Hautkrebs, Vortrag von Priv.-Doz. Dr. med. Athanasios Tsianakas
In der Zwischenzeit zähle ich mich zu den CANCER SURVIVOR, als Langzeitüberlebende nach fast 10 Jahren mit metastasiertem Melanom

Mein Leben, und natürlich auch das Leben meiner Familie, hat sich seit der Diagnose stark verändert. Wie ich damit umgehe?

Ich war schon immer ehrenamtlich tätig, und als die Frage der Gründung einer Selbsthilfegruppe kam, habe ich nur kurz überlegt, und dann 2019 mit einer lieben Partnerin die YOKO Selbsthilfe Hautkrebs in Hannover gegründet. (Die heute am 26.Februar 2025 ihren sechsten Geburtstag feiert!, Anmerkung der Redaktion)

Ich bin in der Facebook Gruppe „Diagnose Hautkrebs- wir lassen dich nicht allein“ und ich bin Mitglied im Verein „Melanom Info Deutschland“. Durch Katharina Kaminski und Astrid Doppler, und den Teilnahmen als Patientenvertreterin an ADO-Kongressen oder anderen Hautkrebs- oder Krebskongressen, habe ich vieles gelernt, was ich anderen Patienten mit auf den Weg geben kann und möchte.

Denn nur ein aufgeklärter Patient ist ein guter Patient.

Wenn ich zum Staging oder zum Arzt komme, höre ich sehr oft den Satz: „Gut sehen sie aus!“  und somit wird dann auch nicht mehr gefragt, wie es mir geht. Schminke macht ja viel aus, aber nur weil ich zurecht gemacht bin, heißt es ja nicht, dass es mir gut geht oder ich gesund bin.


Von links nach rechts: Katharina, Ines und Astrid, Patientenvertreterinnen auf der 11. NVKH in Berlin 2025
Von links nach rechts: Katharina, Ines und Astrid, Patientenvertreterinnen auf der 11. NVKH in Berlin 2025

Was ich mir wünsche

Nicht um den Grad der Behinderung kämpfen zu müssen, denn wir erleben es leider viel zu oft, dass trotz deutschem Schwerbehindertenrecht, immer wieder der falsche GdB erteilt wird, und man dann vor dem Landessozialgericht klagen muss.

Dass es nach Therapieende eine Anlaufstelle für „Cancer Survivor“ geben würde, denn nach Therapieende fallen wir oft in ein tiefes Loch und wissen nicht an wen wir uns wenden sollen. Die Angst ohne Therapie zu sein beschäftigt mich doch sehr, denn meist werden wir ja dann von den Kliniken mit dem Satz „Sie sind ja jetzt Metastasen frei.“ weggeschickt.

Und dann ist man sich selbst überlassen, mal abgesehen davon, dass die niedergelassenen Hautärzte gar keine Termine für uns haben.

Dabei wissen wir ja alle, dass einmal metastasierter Hautkrebs ein großes Arschloch ist!


Autorin Ines Wach, die diesen Bericht so in der AG Sitzung auf der NVKH vorgelesen hat. Vielen Dank liebe Ines, dass wir deinen beeindruckenden Bericht veröffentlichen dürfen!


Katharina und Ines - Ines abends beim gemeinsamen Essen in Berlin
Katharina und Ines - Ines abends beim gemeinsamen Essen in Berlin

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