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AutorenbildKatrin Wiemeyer

Schwarz-weiß. Der Hautkrebs und alles andere

Teil 3


Ich bin in einem echten Dilemma…

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, alle zwei Wochen einen neuen Beitrag zu schreiben.

Nun bin ich aber seit einer guten Woche mit meiner Familie auf Reisen in unserem alten Bus.

Der Krebs hat mir auf lange Sicht ein großes Polster Urlaubstage beschert, die es gilt abzuarbeiten. Da mein Mann an einer Schule arbeitet, haben wir also zum ersten und vermutlich auch letzten Mal sechs Wochen Zeit, um irgendwas Verrücktes anzustellen. Wir waren bereits in der Bretagne und sind jetzt an unserem Sehnsuchtsort an Frankreichs Atlantikküste.

Eigentlich bin ich losgefahren mit dem Gedanken im Kopf „der Krebs kann mich mal am Ar…. lecken in dieser Zeit." Unter uns…klappt eh nicht immer, also kann ich auch weiter schreiben, dann eben von hier.

Freier Fall

Ich wollte erzählen vom freien Fall, der Zeit, die ich nie vergessen werde.

Als ich zuhause war, setzte ich mich ans Internet. Mir hilft es einfach, mich zu informieren und so zu wissen, womit ich es zu tun habe. Keine gute Idee.

Ich möchte hier wirklich alle davor warnen, selbst wenn die Infos aus wissenschaftlichen Quellen stammen, kommt man als Laie nicht auf die Idee, zu schauen von wann sie sind.

Ich las also unter anderem, dass ich, sollte das Ganze schon metastasiert sein, quasi meinen Koffer packen kann für was auch immer. Allein das Wort „5-Jahres-Überleben“ macht eine Angst, die kriecht von hinten in den Nacken und lässt dich nicht mehr los. Mein Mann und ich liefen rum wie Zombies und versuchten gleichzeitig, irgendeine Art von Sicherheit für unsere Kinder auszustrahlen.

Es war ja auch noch Lockdown, alle Kinder im Homeschooling und Homestudium zuhause. Jeder, der mir erzählte, wie anstrengend es grade mit in der Regel 1-2 Kindern zuhause ist, brachte mich an den Rand meiner Verständnismöglichkeiten. Wir hatten fünf Kinder, "ne`frisch geschnibbelte Mutti" und das Krebsgespenst zuhause!

Am Dienstag war es dann soweit.


Befundbesprechung

Mein Mann und ich fuhren in die Praxis und setzten uns käseweiß auf die Stühle im Arztzimmer. Zwanzig grausame Minuten mussten wir auf den Arzt warten, weil der noch mit dem Pathologen telefonieren musste. Als er endlich reinkam, sagte er: „Ich hab großartige Nachrichten!“

Mein Melanom war nicht so tief, wie er selbst erwartet hatte, ich bräuchte nur einen Nachschnitt.

Ich war im absoluten Taumel - keine Metastasen, weiterleben!

Er bot mir an, den Nachschnitt in der Praxis zu machen, damit ich wegen Corona nicht in die Klinik müsse. Ich hätte dem Mann in die Arme fallen können, in völliger Isolation in der Klinik allein zu sein, gehörte mit zu meinen schlimmsten Ängsten.

Auf dem Parkplatz lagen mein Mann und ich uns in den Armen und weinten. Auch ein Moment, den ich nie vergessen werde.

Drei Tage später lag ich wieder auf dem Op-Tisch, diesmal total guter Dinge.

Raus mit dem Rest!

Es sollte ca. eine halbe Stunde dauern und die nette junge Ärztin sollte es machen. Klar, kein Problem, ich war in bester Stimmung.

Aus der Kleinigkeit wurden zwei Stunden, eine total überforderte Ärztin und die Rettung (mal wieder) durch den Chef. Und ein handfestes Trauma. Aber das weiß ich wohl erst heute, nach langer Zeit.

Und auch dazu möchte ich allen Neulingen etwas sagen: Wenn die Ärzte von 1-2 cm Sicherheitsabstand sprechen, ahnt man nichts von dem, was einen erwartet.

Als mein Bein am nächsten Tag bei der Kontrolle ausgepackt wurde, musste ich kurz mal durchatmen.

Ich hatte eine 11cm Narbe und ein Bein, das aussah, als hätte mir ein Hund ein Stück rausgebissen.

Und so fühlte es sich auch an.

Ich biss mich durch die folgenden Tage und Wochen.

Mittlerweile war ich in unserer Selbsthilfegruppe „Diagnose Hautkrebs-wir lassen dich nicht allein“ gelandet und las mich ein. Der Kontakt zu anderen Betroffenen half mir so sehr!

Immer Antworten, Mitgefühl und das Gefühl, mit allem nicht mehr allein zu sein.

Aber natürlich sah ich hier auch, zu was dieser Krebs fähig war, das will ich nicht verleugnen…

Die Heilung schaffen, die Schmerzen aushalten und nach vorne schauen…ich dachte, mehr braucht es nicht.

Gebt mir ein paar Wochen und ich bin wieder die Alte!

Ich hatte keine Ahnung…


1 Comment


Dani Peifer
Jul 06, 2022

Nach so einer Diagnose ist keiner mehr wie vorher und der Weg zurück zum "alten ich", den gibt es einfach nicht mehr. Ist Scheisse... Kann aber auch ne Chance sein.

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