Teil 14
Frohe Ostern!
Ihr Lieben, ich hoffe, ihr hattet schicke Ostern, bei uns war die Hütte voll, alle Kinder zum Teil mit Lieben saßen um unseren Tisch. Wir haben geschmaust, gelacht, erzählt und debattiert. So ist es hier immer, wenn alle zusammen kommen, es ist selten ruhig und es fühlt sich ein bisschen an wie früher.
Und ehrlicherweise frage ich mich heute manchmal, wie wir das eigentlich geschafft haben mit diesem Haufen wunderbarer Menschen, die auch mal nicht wunderbar waren...und immer einer krank oder was in Gips, Großfamilie halt...
Wir haben es geschafft und es ist was Tolles draus geworden, soviel ist sicher!
Ich hab mich ein bisschen schwer getan diesmal, mit dem Schreiben zu beginnen.
Nicht weil mir die Ideen fehlen, sondern weil ich diesmal so ein Knäuel im Kopf hab und den Anfang vom Faden nicht finde...
So wie die Lichterkette, die man jedes Jahr zu Weihnachten wieder auseinander fummeln muss.
Und dann dachte ich, ich schreib genau darüber, über das Knäuel mit den vielen losen Enden, die sich grade nicht greifen lassen.
In den letzten Wochen ist viel passiert, in der Krebsbubble aber auch in der Normalo-Welt , oder wie immer ich das nennen soll.
In der Normalo-Welt bin ich ziemlich eingespannt im Job, meine neue, leitende Aufgabe ist herausfordernd und spannend, ich muss aufpassen, dass ich mir Pausen gönne und auch abschalte.
Ich genieße diese Normalität, freue mich, dass ich wieder ganz normal unterwegs bin, belangloses Zeug überdenke und nicht ständig an den Krebs denke. Manchmal hab ich das Gefühl, in zwei Jahren vielleicht werde ich mich immer noch in der Selbsthilfe engagieren, aber mit gehörigem Abstand zu meiner eigenen Geschichte. Ich werde vermutlich erzählen, dass ich auch mal betroffen war, dass es eine harte Zeit war, es aber hinter mir liegt.
Eine Erfahrung, ein Abschnitt in meinem Leben, wie viele andere auch.
Vielleicht müsst ihr jetzt mit den Augen rollen, aber ich schwöre, es gibt Tage mit diesem Gefühl!!
Und dann gibt es wieder die Tage, in denen ich tief eintauche in das alte Gefühl.
Ich war vor ein paar Tagen Teil eines tollen Projekts in Berlin und durfte dort Michael und Nils treffen, die zwei Jungs von "Hautversaut". Es geht um Awareness für unseren Hautkrebs. Wir saßen zusammen, haben uns unsere Geschichten erzählt, Ideen ausgetauscht und dem anderen zugehört. Es war zum Teil sehr bewegend für mich.
Ich dachte :"Krass, einerseits würde ich hier gar nicht mitmachen ohne den Krebs... und andererseits, ist es nicht irgendwann Zuviel? Muss ich mich nicht besser schützen, Abstand gewinnen und mal normal weiter machen?"
Ich fand keine Antwort, aber fühlte mich irgendwie wieder taumelnd zwischen den Welten.
Liebe Menschen fragten, wie es in Berlin war.
Was soll ich da antworten?
Es war toll, ich hatte Spaß und hab schöne, aufregende Dinge erlebt.
Aber wie erkläre ich jemandem aus der Normalo-Welt, wie es sich anfühlt, wenn der Mann, der dir gegenüber sitzt, dir erzählt, dass sein großes Ziel ist, 40 zu werden!?
Wie soll ich davon erzählen?
Ich würde die lieben Fragenden überfordern, das weiß ich...
Und deshalb schweige ich heute immer öfter.
Es ist ein bisschen so, wie mit Nicht-Eltern über das Mutter-sein zu sprechen...es geht einfach nicht.
Man kann Fakten berichten, man löst Gefühle aus, aber sie werden nie so sein wie bei jemandem, der in der gleichen Situation ist. Punkt. Daran lässt sich nicht rütteln, jedenfalls nicht für mich. Oder noch nicht, wer weiß.
Und was mache ich nun mit dieser Erkenntnis?
Ich schätze, ich mache weiter wie bisher.
Ich bin Pädagogin, Kitaleitung, Mama, Ehefrau, Freundin und Schwester.
Und ich bin Krebspatientin.
Vielleicht ist der Wunsch, das unter einen Hut zu bringen, einfach unrealistisch.
Vielleicht sind zwei Hüte auch total ok.
Vielleicht ist das ein bisschen wie in einer guten Beziehung.
Man erzählt dem Partner von seinen Herausforderungen bei der Arbeit. Der oder die andere hört zu, fühlt sich ein, hat vielleicht einen Tipp. Sie oder Er kann an meiner Seite sein, ohne den gleichen Stress gefühlt zu haben.
Und dann trifft man vielleicht eine Kollegin und ohne, dass sie dabei war, weiß sie sofort, wie sich die Situation angefühlt hat.
So geht es mir in der Selbsthilfe.
Ich treffe Menschen zum ersten Mal in echt, wie bei unserer Lesung oder eben in Berlin. Oder damals in der Reha.
Und sofort ist die Verbundenheit da, fühlt sich eine Umarmung vertraut an.
Dass ich mich auch deshalb riesig auf unser Gruppentreffen in wenigen Tagen in Essen freue, könnt ihr euch vorstellen!!
So ihr Lieben Lesenden..ich hab ja gesagt, ein Knäuel mit vielen wirren Enden, nicht richtig greifbar.
Aber ich hab mich gestern entschieden, drüber zu schreiben.
Gestern waren wir bei meinen Schwiegereltern, meine Schwiegermutter ist auch an Krebs erkrankt, zudem hat sie eine Aphasie, die ihr die Worte nimmt.
Beim Abschied hielt sie meine Hand und sagte :" Wir Beide!"
Und ich spürte was sie meinte...wir Beide wissen, wie es sich anfühlt, vielleicht sind wir grade mehr miteinander verbunden als in den 16 Jahren zuvor.
Sie hat die Worte vor allem in ihrem Kopf, ich kann sie aufschreiben.
Was für ein Geschenk.
So schön geschrieben. Ich fühle alles daran ♥️ bin gerne beim nächsten berlin Date dabei.