Für mich persönlich waren Untersuchungen im CT und MRT ja immer eher entspannender Natur. Aufregung davor und danach? Klar! Aber die eigentlichen Untersuchungen schuckelten mich durch die wiederkehrenden Geräusche behutsam in eine Art Tiefenentspannung.
Im Frühjahr 2022 verschlug es mich regulär zum letzten Mal in ein MRT. Damals war ich zwar besorgt über die zukünftig fehlenden bildgebenden Untersuchungen, aber auch erleichtert, dass dieser Marathon aus Überweisungen holen, im Vorfeld bestimmte Blutwerte bestimmen lassen, Termine koordinieren und vor allem die emotionale Belastung kurz vor der Untersuchung und bis zum abschließenden Befund ein Ende hat.
Nun stand aufgrund einiger Beschwerden ein außerplanmäßiges CT und MRT auf dem Plan. Ich sollte einmal auf rechts und wieder zurück gedreht werden, um neuerliche unerwünschte Aktivitäten meines ehemaligen Mitbewohners namens Krebs auszuschließen. Routine für mich alte Häsin, schließlich war ich es sieben Jahre lang gewohnt im 3-6-monatigen Abstand in diverse Röhren geschoben zu werden. Auch gewohnt war ich, dass es immer etwas problematisch war, mir die Zugänge für das Kontrastmittel zu legen. Diese Routine sollte mich auch heute nicht im Stich lassen. Nach dem dritten erfolglosen Versuch, mir den Zugang zu legen, folgte die gewohnte, wenngleich auch sehr empathische, Entschuldigung des medizinischen Fachpersonals. Ich entgegnete meinen ebenfalls gewohnten Satz: „Ist gar nicht schlimm, ich kenne das schon. Es tut auch nicht so weh, alles okay!“ Nach dem vierten erfolglosen Versuch eine Vene zu treffen, liefen mir dicke Krokodilstränen aus den Augen. Alle, die schon mal ein Schädel-MRT hinter sich gebracht haben, wissen, dass da wenig Flexibilität besteht, um sich Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Also: Augen schließen und entspannen. …Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen…und zurück zur Tagesordnung. Nächster Versuch einen Zugang zu legen, diesmal am anderen Arm. Mich durchfuhr ein Schmerz, den man wohl mit einem Blitzeinschlag vergleichen kann. Die Nadel hatte keine Vene, sondern einen Nerv erwischt. In diesem Moment brachen meine letzten Dämme der Selbstbeherrschung und mir wurde klar: Es ist schlimm! Es tut weh! Und es ist vor allem NICHT okay! Der letzte Versuch mir einen Zugang zu legen war schließlich erfolgreich. Der zweite Teil der Untersuchung konnte problemlos durchgeführt werden. Ich jedoch lag auf meiner Pritsche und weinte die restliche Untersuchungszeit stumm und bewegungslos vor mich hin.
Nachdem die Untersuchung beendet war, trieb es mich zum erneuten Durchatmen an einen meiner Lieblingsorte in Dresden, das Blaue Wunder. Die 1893 errichtete Hängebrücke zieht mich seit jeher in ihren Bann. Einer unbestätigten Legende nach erstrahlte die Brücke ursprünglich in einem Grünton, durch Witterungsverhältnisse gingen jedoch die gelben Farbanteile verloren und nur das Blau blieb erhalten. Auch wenn es an dieser Legende sehr viele berechtigte Zweifel gibt, steht sie als Metapher für meine heutige Erfahrung: Unsere oberflächlichen Schichten, die bestimmte Erfahrungen und Erlebnisse verdecken, ändern sich mit der Zeit. Manchmal dauert es Jahre, bis sie abgetragen sind und das Innere wieder zum Vorschein kommt. In meinem Fall wusste ich schließlich, warum ich weinte. Ich weinte über den aktuellen Schmerz, aber vor allem auch über den alten Schmerz der vergangenen Jahre und um alle Momente, in denen ich gelogen und gesagt hatte: „Es ist gar nicht schlimm. Es tut auch nicht so weh, alles okay!“
Liebe Sahra, lass dich aus der Ferne umarmen 🫂 Danke für teilnehmen an deiner Gefühlswelt ❤️wie oft sagen wir " alles nicht so schlimm" immer mit Rücksicht auf unsere Umwelt...mir ist es ähnlich ergangen in meiner letzten psychologischen Stunde..auf einmal sind alle Dämme gebrochen & ich habe geweint, die letzte halbe Stunde, war danach sehr erschöpft & trotzdem auch erleichtert...es tat mir gut 🙏 und gestern habe ich noch mal ausführlich darüber sprechen können,
Wir tragen es jeden Tag & sind oft stark 👍ich umarme dich herzlich 🫂❤️GLG Ines
Liebe Sarah, hab dank für diesen ehrlichen Beitrag. Ich kann ihn sehr gut nachvollziehe. Wie oft im Leben sagt man, „danke alles ok“ unter den Schichten sieht es doch oft ganz anders aus. Fühl dich lieb umärmelt. Liebe Grüße Bettina